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Wie sich Google selbst auffressen soll


Der Internet-Künstler Hans Bernhard legt sich gern mit den Großen der Branche an. Gegner wie Amazon oder Google schlägt er mit Vorliebe mit deren eigenen Waffen. Aktuell kauft er peu à peu Google-Aktien - mit Geld, das von Google selbst kommt. Der Konzern ist pikiert.

Der Ton des Briefs ist freundlich, aber bestimmt. Man sei kürzlich auf das Projekt "Google will eat itself" aufmerksam geworden, schreibt Arndt Haller von der Rechtsabteilung der deutschen Google-Niederlassung. Und obwohl man sich "sehr wohl bewusst" sei, dass es sich um ein Kunstprojekt handele, wolle man die Macher des Projekts "rein vorsorglich" vor einem Verstoß gegen die Vertragsbedingungen von Googles Anzeigenprogramm AdSense warnen.

Google-Projekt von Ubermorgen.com:
In 202 Millionen Jahren selbst aufgefressen

Worum geht es? Der Österreicher Bernhard und seine Kollegen von der Künstlergruppe Ubermorgen.com generieren seit einiger Zeit Anzeigeneinnahmen. Sie legen Webseiten an und lassen Googles AdSense-Programm darauf Anzeigen platzieren. Dann klicken sie als vermeintliche Websurfer auf die Annoncen - worauf Google dem Inhaber der Seiten, also der Künstlergruppe selbst, eine Provision für den erfolgreichen Klick des angeblichen Interessenten zahlt. "Bei den über 50 Adsense-Accounts die wir haben, kommt so eine nicht unbeträchtliche Summe pro Monat zusammen", sagt Hans Bernhard.

Wenn Betrüger und nicht Künstler so etwas tun, spricht man gewöhnlich von Klickbetrug. Ein Phänomen, auf das Suchmaschinen-Betreiber dünnhäutig reagieren, steht doch für sie einiges auf dem Spiel. So zahlte Google kürzlich in einem Vergleich Werbekunden eine Entschädigung von gut 70 Millionen Euro. Deren Vorwurf: Der Konzern habe zu wenig gegen betrügerische Klicks getan. Dadurch hätten die Anzeigenkunden zu hohe Rechnungen präsentiert bekommen. Verlässliche Schätzungen, wie groß der Schaden durch Klickbetrug tatsächlich ist, sind schwer zu bekommen.

Garaus in 202 Millionen Jahren
Doch im Falle von "Google will eat itself" wollen sich die Netz-Künstler, zu denen auch die Italiener Alessandro Ludovico und Paolo Cirio gehören, vom erklickten Geld kein angenehmeres Leben machen. Stattdessen verwenden sie die Einnahmen, um Google-Aktien zu kaufen. Ihr Ziel: Google soll sich selbst auffressen. Läuft alles weiter wie bisher, müsste das hochgerechnet in gut 202 Millionen Jahren so weit sein. Das jedenfalls sagt der Zähler auf der eigens dafür eingerichteten Website des Projekts.

Bernhard hat eine Faible für die Goliaths im Internet. Der Künstler und seine Kollegen legen sich auch mit dem Medienhaus Amazon.com an. Mit einem 10.000-Euro-Stipendium des Edith-Ruß-Hauses für Medienkunst im niedersächsischen Oldenburg im Hintergrund will Ubermorgen.com dort bald haufenweise Bücher stehlen - allerdings nur virtuell.

Ansatzpunkt für den Coup mit dem Arbeitstitel "Amazon Noir - The Big Book Crime" ist eine spezielle Suchmöglichkeit, die Amazon anbietet. Mit der "Search Inside the Book"-Funktion können Interessierte den Volltext eines Buches durchsuchen. Normalerweise steht nur ein kurzer Abschnitt des Buches für die Suche zur Verfügung. Doch die "digitalen Aktionisten" (Selbstbeschreibung der Gruppe) wollen das System ab Oktober auf breiter Front überlisten.

Bücher gratis im Netz
Ein Roboter-Cluster soll "bis zu 5.000 Abfragen pro Buch machen und danach die Einzelteile logisch zusammensetzen", erklärt Bernhard. Als Ergebnis sollen komplette Bücher für Surfer kostenlos zum Download bereitgestellt werden. Im Testlauf funktioniere das seit einem halben Jahr recht gut.

Die große Frage, die hinter dem Kunstprojekt steht: Wer darf im digitalen Zeitalter was kopieren? Was ist erlaubt, was verboten? Wer zahlt für Inhalte, wer darf sie nutzen? Große Teile der Medienindustrie haben auf diese und viele weitere Fragen bis heute nicht unbedingt befriedigende Antworten gefunden. Bernhard will mit seinen Mitstreitern die Diskussion weiter anheizen. "Im Vordergrund steht das Experiment: Was passiert medial, technologisch, sozial, wenn ich solch eine Download-Software zur Verfügung stelle?"

Amazon ist von der Aktion, selbstverständlich, nicht angetan. Zwar sagt Pressesprecherin Christine Höger, dass ihrem Unternehmen "keine Details" zum "Anliegen der Gruppe" bekannt seien. Man werde aber alles tun, "um sicherzustellen, dass die Rechte aller beteiligten Parteien im Rahmen von Search Inside geschützt werden". Wie Amazon die Attacken von Ubermorgen.com kontern will, verrät sie nicht.

Provokation als Konzept
Die Aktionen gegen Google und Amazon - oder besser: mit ihnen - sind nicht das erste aufsehenerregende Projekt von Bernhard und seinen Kollegen. Vor sechs Jahren machten sie mit einer "Wählerstimmen-Versteigerung" bei der US-Präsidentenwahl von sich reden. Zuvor lieferten sie sich mit dem Spielzeugverkäufer etoys vor der Weltpresse eine wahre Schlacht um eine Internet-Domain. Der Multi-Milliarden-Dollar-Konzern hatte versucht, ein weit früher gestartetes Kunstprojekt der Gruppe unter dem Titel Etoy wegen Namensgleichheit aus dem Netz zu klagen.

Netz-Vordenker der ersten Stunde wie John Perry Barlow haben sich damals auf die Seite der Künstler gestellt - in einem symbolischen Konflikt über die Frage, wie stark das World Wide Web kommerzialisiert wird. Nach langem Hin und Her musste der Spielzeughändler damals nachgeben. Die Künstler von Ubermorgen.com erhielten 40.000 Dollar Entschädigung für ihre Anwaltskosten.

Quelle: Spiegel Online